I. Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in zwei aktuellen Berufungsurteilen die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen von Sperrmüll aus privaten Haushaltungen verneint,
vgl. OVG Münster, Urteil vom 26.01.2016 – 20 A 318/14 und 20 A 319/14; insoweit bestätigt VG Arnsberg, Urteil vom 09.12.2013 – 8 K 3508/12 und 8 K 3688/12.
Im Zentrum der Entscheidungen stand dabei die aktuell auch in der Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage, ob es sich bei Sperrmüll aus privaten Haushaltungen um sogenannten „Mischabfall“ im Sinne von § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG handelt, für welchen der eng umrissene Ausnahmevorbehalt für gewerbliche Sammlungen nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG nicht greift, so dass diese Abfälle dem örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen sind (§ 17 Abs. 1 S. 1 KrWG),
Entscheidungsgründe, abrufbar unter:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/20_A_318_14_Urteil_20160126.html
Wie bereits das Ausgangsgericht kommt auch das OVG NRW zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die Abfallfraktion Sperrmüll als „gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen“ der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG unterfalle, so dass die Durchführung von gewerblichen Sammlungen unzulässig sei.
Die eindeutige gesetzliche Zuweisung der Entsorgungspflichten an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für „Mischabfälle“ soll garantieren, dass die Abfälle ortsnah und nach dem Stand der Technik verwertet würden und nicht möglichst kostengünstig. Sperrmüll sei insoweit nichts anderes als großteiliger Restmüll und berge damit letztlich die gleichen Risiken hinsichtlich der umweltgerechten Entsorgung wie etwa der (kleinteiligere) Restmüll. Eine unterschiedliche Einordnung sei auch aufgrund der vergleichbaren stofflichen Zusammensetzung nicht angezeigt. Auch praxisbezogene Aspekte sprechen für eine einheitliche Qualifikation, da angesichts unterschiedlicher Tonnengrößen nicht abstrakt festlegbar sei, wann es sich noch um Restmüll oder schon um Sperrmüll handele. Dass der Gesetzgeber trotz dieser Risiken die Sperrmüllsammlung gewerblichen Entsorgungsunternehmen habe öffnen wollen, lasse sich letztlich auch nicht aus dem Gesetzgebungsprozess ableiten. Die gesetzliche Zuweisung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger stehe zuletzt gerade auch im Einklang mit dem Europarecht, so dass Untersagungen insgesamt gerechtfertigt seien.
Bereits im Ausgangsverfahren hat das Verwaltungsgericht Arnsberg festgehalten, dass bei einer avisierten Sammlung von Sperrmüll im Sinne von AVV 20 03 07 nicht gewährleistet sei, dass entgegen von § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG nicht gleichzeitig auch gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen im Sinne dieser Vorschrift gesammelt werden,
vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 09.12.2013 – 8 K 3508/12, Rn. 22 ff.
Es sei vielmehr zu beobachten, dass sogenannter Sperrmüll in aller Regel auch Gegenstände umfasse, die nicht im Zuge einer Entrümpelungsaktion anfallen, so dass der Abfallbesitzer und -erzeuger in der Regel auch die Gelegenheit wahrnehme, kleinere Gegenstände loszuwerden, die ohne Weiteres Bestandteil des Hausmülls sind. Es entspreche zudem einer weit verbreiteten (und zudem illegalen) Unsitte, dass dritte Personen einem Haufwerk von Sperrmüll weitere Abfälle hinzufügen, so dass die Sammlung tatsächlich nicht ausschließlich nur Abfälle im Sinne von AVV 20 03 07 betreffe. Diesem, insbesondere auch auf die Lebenserfahrung abstellenden strengen Maßstab folgend, seien gewerbliche Sammlungen von Sperrmüll wegen eines inhärenten Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG nicht in zulässiger Weise zu vollziehen,
vgl. VG Arnsberg, a.a.O., Rn. 22 ff.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Das OVG NRW hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
II. Bewertung der Rechtsprechung aus kommunalwirtschaftlicher Sicht
Die Rechtsprechung des OVG NRW ist aus Sicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu begrüßen. Zum wiederholten Male brechen dabei die Verwaltungsrichter aus Münster mit ausgewogenen Argumenten die bis dahin festzuhaltende Rechtsprechungstendenz,
vgl. aktuell VG Berlin, Urteil vom 20.11.2015 – 10 K 435/14, 10 K 436/14, 10 K 507/14, 10 K 98/15, 10 K 199/15 und 10 K 202/15; OVG Sachsen, Beschluss vom 18.02.2015 – 4 B 53/14; VG Dresden, Beschluss vom 06.03.2014 – 3 L 1133/13; VG Schleswig, Urteil vom 05.03.2015 – 6 A 127/13 (nicht rechtskräftig), die Berufung wurde mit Beschluss vom 08.01.2016 durch das OVG Schleswig zugelassen (4 LA 22/15),
wonach entgegen der durch den Gesetzgeber getroffenen eindeutigen Regelung des § 17 KrWG die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungstätigkeiten aus übergeordneten, insbesondere europarechtlichen Gründen weit zu verstehen sei,
vgl. zur Europarechtskonformität der Überlassungspflichten bereits OVG NRW, Urteil vom 21.09.2015 – 20 A 1855/14, 20 A 2120/14 und 20 A 2219/14.
Angesichts des im Jahre 2014 ergangenen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, betreffend das Altpapierurteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2009, besteht insoweit eine leise Hoffnung, dass die durch den Gesetzgeber getroffene hinreichend klare und bestimmte Aufgabenzuweisung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht weiter ausgehöhlt wird,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.08.2014 – 2 BvR 2639/09, NVwZ 2015, 52 f.
Insoweit bestätigen die aktuellen Berufungsurteile des OVG Münster vom 21.09.2015 (Az. 20 A 2220/14 ; 20 A 2120/14 ; 20 A 1855/14) sowie vom 26.01.2015 (Az. 20 A 318/14 und 20 A 319/14) die bereits vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Altpapierurteil im Jahre 2009 (Az. 7 C 16.08) und vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Auffassung, wonach die gesetzlich normierte Ausgestaltung der Überlassungspflichten an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger europarechtskonform ist und es aus europarechtlichen Gründen keiner einschränkenden Auslegung der Überlassungspflichten bedarf.
Die Rechtsprechung des OVG NRW bestätigt auch die in verschiedenen Bundesländern empfohlene Vollzugspraxis, wonach Sperrmüllabfälle als gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen einer gewerblichen Sammlung nicht zugänglich sind,
vgl. Schreiben des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2014, S. 1 ff.; Schreiben des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 31.10.2012, Durchführung von gewerblichen Sammlungen nach §§ 17, 18 KrWG, S. 8 f.; andere Auffassung Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, Schreiben vom 12.03.2013, Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, S. 1 f.
Es muss davon ausgegangen werden, dass sowohl hinsichtlich der Regelung des § 17 Abs. 3 KrWG als auch in Bezug auf die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen von Sperrmüll erst durch die zu erwartenden Revisionsurteile des Bundesverwaltungsgerichts für hinreichende Rechtsklarheit gesorgt wird.
Die Kanzlei Gruneberg Rechtsanwälte vertritt bundesweit öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sowie zuständige Behörden in verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren hinsichtlich gewerblicher Sammlungen und zur Absicherung der kommunalen Überlassungspflichten vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten, insbesondere auch in anhängigen Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.