(Köln, den 18.06.2013) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 13.06.2013 (C-386/11) entschieden, dass auch eine delegierende öffentliche Vereinbarung auf dem Gebiet der Gebäudereinigung einen öffentlichen Auftrag im Sinne des europäischen Vergaberechts darstellt, der in einem förmlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden muss. Die Voraussetzungen einer ausschreibungsfreien interkommunalen Kooperation lägen beim Abschluss einer derartigen delegierenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht vor. Mit dieser restriktiven Auffassung bestätigte der EuGH seine jüngere Rechtsprechung in dieser Frage (vgl. dazu bereits EuGH, Urteil vom 19.12.2012, – C-159/11, „Azienda Sanitaria Locale di Lecce“).
– Sachverhalt und Rechtsstreit –
Dem Verfahren liegt eine delegierende öffentlich-rechtliche Vereinbarung nach den Vorschriften des Nordrhein-Westfälischen GkG zugrunde, mit der ein Kreis die Reinigung der kreiseigenen Gebäude mit befreiender Wirkung auf eine Kommune übertrug. Nach § 1 dieser Vereinbarung übernimmt die Kommune die ihr übertragenen Aufgaben in ihre alleinige Zuständigkeit. Der gegen diese Vereinbarung bei der Vergabekammer Köln erhobene Nachprüfungsantrag wurde zurückgewiesen. Dagegen erhob das unterlegene private Gebäudereinigungsunternehmen sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf.
Aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt ungeklärten Rechtslage hinsichtlich der Ausschreibungsfreiheit delegierender öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen, legte das Gericht den Rechtsstreit dem EuGH vor.
– Die wesentlichen Entscheidungsgründe des EuGH –
Das Gericht gelangte zu der Auffassung, dass die zum Kreis mit der Stadt geschlossene delegierende öffentlich-rechtliche Vereinbarung als öffentlicher Auftrag im Sinne des europäischen Vergaberechts zu qualifizieren sei. Denn es läge weder ein In-House-Geschäft vor, noch seien die vom EuGH in seinen jüngeren Urteilen entwickelten Kriterien einer interkommunalen Kooperation gegeben.
Die In-House-Kriterien lägen bereits deshalb nicht vor, da keine der beteiligten Einrichtungen Inhaber von Anteilen der anderen sei.
Auch die Kriterien der zweiten möglichen Ausnahme für Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei einer Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart werde, seien in diesem Fall nicht einschlägig. Insbesondere habe der Vertrag nicht die Vereinbarung einer Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe zum Gegenstand. Für kritisch hielt der EuGH zudem, dass die übertragende Einrichtung sich Befugnisse vorbehalten hatte, die ordnungsgemäße Erfüllung der fraglichen Aufgabe zu kontrollieren und der Vertrag zur Erfüllung der darin vorgesehenen Aufgabe den Rückgriff auf einen Dritten gestattete.
– Konsequenzen für die kommunale Wirtschaft –
Mit dieser Entscheidung führt der EuGH seine restriktive Rechtsprechung zu den Möglichkeiten der interkommunalen Kooperation, die sich bereits in der Entscheidung vom 19.12.2012 angedeutet hat, weiter fort. Danach ist eine interkommunale Kooperation lediglich als In-House-Geschäft sowie nach den Kriterien möglich, die der EuGH in seinen jüngeren Entscheidungen (EuGH, Urteil vom 09.06.2009, – C-480/06, Urteil vom 19.12.2012, – C-159/11) festgelegt hat. Voraussetzung ist demnach, dass sich Kommunen zusammenschließen müssen, um eine ihnen gemeinsam obliegende Gemeinwohlaufgabe wahrzunehmen. Dabei lässt das Gericht offen, ob unter Gemeinwohlaufgaben alle öffentlichen Aufgaben fallen – also auch sogenannte Hilfsgeschäfte – oder lediglich Aufgaben, die die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 51 Abs. 2 AEUV und Art. 62 AEUV betreffen. Bemerkenswert ist weiterhin, dass der EuGH allein die Tatsache, dass die übernehmende Kommune sich zur Erfüllung ihrer Aufgabe Dritter bedienen konnte, zum Anlass nahm, bereits darin eine potentielle Marktteilnahme zu sehen. Der im Verfahren dagegen geltend gemachte Einwand, dass die Übertragung an eine städtische Eigengesellschaft vorgesehen sei, die ihrerseits die Kriterien des In-House-Geschäftes erfüllt, war für den EuGH ohne Belang.
Auch auf die vom OLG Düsseldorf aufgeworfene Frage, ob Vereinbarungen über eine interkommunale Kooperation als „innerstaatlicher Verwaltungsakt“ nicht generell dem Vergaberecht entzogen seien, weil die innerstaatliche Verwaltungsorganisation allein Sache der Mitgliedsstaaten und nicht der Europäischen Union sei, geht der EuGH nicht ein.
„Diese Entscheidung schränkt den Organisationsspielraum der Kommunen, die ihnen durch die Gesetze über die kommunale Gemeinschaftsarbeit eröffnet sind, weiter ein“, so Dr. Ralf Gruneberg, der das Verfahren begleitet hat. Nach dieser Entscheidung ist zumindest der Abschluss einer delegierenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, mit der eine Kommune der anderen eine Aufgabe mit befreiender Wirkung überträgt, mit hohen Risiken verbunden.
„Es bleibt allerdings abzuwarten, welchen Einfluss die Entscheidung des EuGH auf die Novelle der Auftragsvergaberichtlinien haben wird“, so Gruneberg weiter. Der Binnenmarktausschuss hatte nämlich noch im Januar vorgeschlagen, dass Vereinbarungen, die zwischen Hoheitsträgern geschlossen werden und lediglich Zuständigkeitsübertragungen vorsehen, nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen sollen.
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