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Aktuelles-Beitrag vom

Gruneberg Rechtsanwälte, Köln

Die GMVA Oberhausen-Rechtsprechung des OVG Münster

Auswirkungen auf die Gestaltung von kommunalen Entsorgungsverträgen. Vorläufiger Schlusspunkt zu kommunalabgabenrechtlichen und preisrechtlichen Themen.

Die Frage, wie Entsorgungsverträge zwischen den Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und ihren kommunalen Erfüllungsgehilfen im Hinblick auf kommunalabgabenrechtliche und preisrechtliche Forderungen auszugestalten sind, gehört schon seit langem zu den Themen, die in der Rechtsprechung äußerst umstritten sind und in der Literatur kaum beleuchtet werden. Schon seit Jahren wird in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert, welches preisrechtliche Unternehmerwagnis angesetzt werden kann, wie Überkapazitäten in kommunalen Müllverbrennungsanlagen kommunalabgabenrechtlich zu bewerten sind und schließlich wie Erlöse aus der energetischen Verwertung kommunaler Abfallmengen gebühren- und preisrechtlich anzusetzen sind. Das OVG Münster hat diesbezüglich in seiner jüngsten Entscheidung (Urt. v. 27.04.2015, Az.: 9 A 2813/12) einen vorläufigen Schlusspunkt hinter einen langen schwelenden verwaltungsgerichtlichen Streit in Nordrhein-Westfalen gesetzt.

Nach Auffassung der Münsteraner Richter ist die Abfallgebührensatzung der Stadt D. nichtig und die darauf beruhenden Gebührenbescheide somit rechtswidrig. Im Mittelpunkt stand dabei die Kalkulation des Verbrennungsentgeltes, das auf Grundlage des Entsorgungsvertrages zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften und dem mit der thermischen Abfallbehandlung der überlassungspflichtigen Abfälle beauftragten kommunalen Unternehmen kalkuliert worden war.

Zunächst hat der 9.Senat grundsätzlich festgestellt, dass Fremdleistungen gebührenrechtlich anrechenbar sind, insoweit sie nach dem öffentlichen Preisrecht berechnet werden. Dabei, so das OVG, obliegt der Kommune als Gebühren erhebenden Stelle eine umfassende Prüfpflicht hinsichtlich der Einhaltung der preisrechtlichen Vorgaben. Werden die in Rechnung gestellten Verbrennungspreise also unbesehen übernommen, so verletzt die Kommune ihre Pflichten.

Anrechnung von Gewinnen aus Strom- und Fernwärmeverkauf

Nach Auffassung des OVG sind bei der Ermittlung der Selbstkostenfestpreise für die thermische Behandlung von Abfällen grundsätzlich Gewinne aus der Energieerzeugung in Abzug zu bringen. Dies ergebe sich bereits aus § 6 Abs. 2 KAG NRW. Das kann allerdings nur dann gelten, wenn die Erträge einen Teil des Prozesses von Leistung und Gegenleistung darstellen. Damit bestätigt das OVG die Rechtsauffassung, dass lediglich der „kommunale Teil“ der Energieerzeugung voll angerechnet werden muss. Denn nur dieser steht in einem direkten vertraglichen Synallagma. Eine vertragliche Verknüpfung liegt insbesondere dann vor, wenn – wie in dem zu Grunde liegenden Entsorgungsvertrag – der kommunale Erfüllungsgehilfe mit der energetischen und/oder thermischen Behandlung von Abfällen beauftragt wird, die auch die Nutzung des energetischen Potentials des Abfalls umfasst. Die Verpflichtung zur thermischen Verwertung und damit zur Nutzung der Energie findet ihre Herleitung aus den abfallrechtlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur ordnungsgemäßen Verwertung und Beseitigung verpflichte.

Damit hat das Gericht in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen klargestellt, dass zumindest die Erlöse und Umsätze, die im Zusammenhang mit der thermischen Behandlung bzw. thermischen Verwertung von überlassungspflichtigen Abfällen entstehen, preisrechtlich in Ansatz zu bringen sind und damit auch gebührenmindernd zu berücksichtigen sind.

Vorhaltekapazitäten

Auch zu der lang umstrittenen Frage, ob und inwieweit Vorhaltekapazitäten im Zusammenhang mit dem kommunalen Entsorgungsauftrag preisrechtlich angesetzt werden können, hat das Gericht grundsätzliche Aussagen getätigt.

Bei der Berechnung von Vorhaltekosten gilt der Grundsatz, dass die unabhängig von der jeweiligen Auslastung veranschlagten Vorhaltekosten der Anlage den kommunalen Auftraggebern nicht in vollem Umfang, sondern nur insoweit anzulasten sind, als die Errichtung und die Erhaltung der Anlagenkapazität dem kommunalen Auftraggeber zugerechnet werden kann. Dieser Ansatz ergibt sich bereits aus dem Äquivalenzprinzip. Dies gilt zumindest dann, wenn die Anlage gerade nicht allein der Gewährleistung des Entsorgungsbedarfes in den Auftrag gebenden Kommunen einschließlich der bei wirtschaftlicher Betriebsführung erforderlichen Vorhalte- oder Betriebskapazitäten zu dienen bestimmt ist.

Der Ansatz von Kosten in einer Gebührenkalkulation ist demnach ausgeschlossen, wenn die Kosten allein auf Kapazitäten beruhen, die von dem Entsorgungsbedarf nicht veranlasst worden sind. Allerdings rechtfertigt der Umstand, dass eine Anlage nicht ausgelastet ist, nicht ohne Weiteres die Annahme einer gebührenrechtlich relevanten Überdimensionierung. Eine Überdimensionierung einer Anlage im Rechtssinne liegt vielmehr nur vor, wenn aufgrund einer nicht sachgerechten Planung einer Anlage über eine angemessene Kapazitätsreserve hinaus zu groß dimensioniert worden ist (z.B.: die Inanspruchnahme wird zu hoch eingeschätzt).

Bezogen auf den konkreten Fall stellte das OVG fest, dass die Erneuerung bzw. die Erweiterung der MVA auf einer betriebswirtschaftlichen und technischen Neuausrichtung gestützt war, welche eine Investitionsentscheidung umzusetzen versuchte. Dabei stand im Vordergrund, dass eine zusätzliche und dauerhafte Anlieferung von zusätzlichen Mengen ermöglicht werden sollte, so dass es zu einer Erweiterung der Zweckbestimmung der MVA kam. Tritt folglich neben den öffentlich-rechtlichen Entsorgungszweck ein selbständiger Anlagenzweck zur Verbrennung bzw. Verwertung von Drittabfällen, so sind diese damit verbundenen Kosten eigenständige betriebswirtschaftliche Kosten und können nicht dem Gebührenzahler im Wege der Vorhaltekapazität auferlegt werden.

Kalkulatorischer Gewinn

Auch die Annahme eines kalkulatorischen Gewinns in Höhe von 3,5 % vom betriebsnotwendigen Vermögen des kommunalen Anlagenbetreibers führt nach Auffassung des Gerichts zu einem überhöhten Kostenansatz bei der Berechnung des Verbrennungsentgeltes und damit zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip.

Danach ist ein kalkulatorischer Gewinn (Nr. 48 Abs. 1, 51 Buchstabe a) LSP) nach dem OVG grundsätzlich zwar nach dem Äquivalenzprinzip weiterhin zulässig, hinsichtlich der Höhe ergibt sich allerdings folgender Grundsatz: Je geringer das wirtschaftliche Risiko, desto geringer der Gewinnzuschlag, unabhängig welche Art von Kosten vereinbart wurden. Danach ist eine starre und automatische höhere Veranschlagung eines kalkulatorischen Gewinnzuschlages für Selbstkostenfestpreise wohl nicht mehr möglich.

Im vorliegenden Fall hat das OVG, obgleich ein Selbstkostenfestpreis vereinbart war, lediglich ein Unternehmerwagnis von max. 1 % der Nettoselbstkosten als angemessen angesehen. Als Gründe für den geringeren Aufschlag nennt das OVG insbesondere die kurze Laufzeit (5 Jahre), die eine Fehlkalkulation als unwahrscheinlich erscheinen lässt, sowie dass bei einem öffentlichen Auftraggeber eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht gegeben ist. Mithin sei auf lange Sicht die Existenz des Unternehmens nicht gefährdet. Darüber hinaus sind die angehaltenen Unternehmerwagnisse im vorliegenden Fall nicht von den Nettoselbstkosten berechnet worden, sondern vom durchschnittlichen betriebsnotwendigen Vermögen des Berechnungsjahres. Die Ermittlung des kalkulatorischen Gewinnes auf dieser Basis wird dem allgemeinen Unternehmerwagnis nicht gerecht und hält sich demnach nicht im Rahmen des preisrechtlich Zulässigen.

Fazit für die kommunale Wirtschaft

Für die kommunale Entsorgungswirtschaft, die ihre kommunalen Unternehmen oftmals aufgrund von Entsorgungsverträgen beauftragt, deren Entgelt nach dem öffentlichen Preisrecht kalkuliert ist, ergeben sich aus dem Urteil nicht unbedeutende Konsequenzen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die preisrechtliche Prüfpflicht, also die Pflicht zu überprüfen, ob die vertraglichen Entgelte dem öffentlichen Preisrecht entsprechen und damit abgabenrechtlich ansatzfähig sind, der Gebühren erhebenden Stelle und damit in der Regel der Kommune obliegt.

Hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Vorhaltekapazitäten hat das Gericht nochmals betont, dass die unabhängig von einer jeweiligen Auslastung entstehenden Vorhaltekosten einer Anlage eines kommunalen Auftraggebers nicht im vollen Umfang, sondern nur insoweit, preis- und damit gebührenrechtlich anzulasten sind, als die Errichtung und Erhaltung der Anlagenkapazität dem kommunalen Auftraggeber zugerechnet werden. Kosten der Kapazitätserweiterung, die zur gewinnbringenden Vermarktung im gewerblichen Bereich veranlasst werden, hat der Anlagenbetreiber demnach selbst zu tragen.

Klargestellt hat das Gericht zudem, dass alle Erträge, die im Zusammenhang mit dem kommunalen Entsorgungsauftrag bei der thermischen Verwertung von überlassungspflichtigen Abfällen erzielt werden, beispielsweise aus der Vermarktung von Dampferlösen, preisrechtlich – und damit auch gebührenmindernd – zu berücksichtigen sind. Diesem Aspekt sollte bei der Gestaltung von Entsorgungsverträgen in Zukunft noch größere Beachtung geschenkt werden.

Im Hinblick auf den Ansatz des nach wie vor umstrittenen Unternehmerwagnisses hat das OVG Münster eine eher restriktive Tendenz bestätigt, die davon ausgeht, dass ein kommunales Unternehmen, das als Erfüllungsgehilfe durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in der Erfüllung der hoheitlichen Entsorgungsaufgaben eingebunden ist, im Regelfall keinen grundlegenden wirtschaftlichen Gefährdungen ausgesetzt ist. Auch dieser Aspekt ist bei der Gestaltung der Entgeltregelungen in Entsorgungsverträgen mit den kommunalen Auftraggebern zu beachten.

Gruneberg Rechtsanwälte ist eine auf das kommunale Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei, die ausschließlich kommunale Unternehmen und Gebietskörperschaften sowie kommunale Organisationen in allen kommunalwirtschaftsrechtlichen Fragestellungen bundesweit berät.

Die Kanzlei vertritt dabei auch bundesweit öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und ihre kommunalen Erfüllungsgehilfen vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten sowie Zivilgerichten.